Wie sich die Coronakrise auf Studierende und Bildungseinrichtungen in Europa auswirkt
Die Coronakrise und die damit verbundenen Herausforderungen betreffen Studierende, Hochschulen und Unternehmen auf unterschiedliche Art und Weise. Eine europaweite Umfrage der Recruiting-Plattform JobTeaser zeigt: Hochschulen und Unis sind mehr denn je gefordert, ihren Studierenden beim Praxistransfer unter die Arme zu greifen.
Junge Talente streben nach beruflicher Orientierung und Unterstützung
Wie gehen Universitäten und Hochschulen, aber auch die Studierenden mit den vielen neuen Herausforderungen um? Und worauf kommt es in der aktuellen Phase für Bildungseinrichtungen an? Viele Hochschulen und Universitäten haben ihren regulären Vorlesungsbetrieb vergleichsweise rasch den Herausforderungen des Social Distancing angepasst. 90 Prozent der 175 befragten Bildungseinrichtungen haben bereits komplett auf Online-Veranstaltungen umgestellt oder sind aktuell dabei, virtuelle Formate umzusetzen. Lediglich zehn 10 Prozent haben ihre Veranstaltungen abgesagt, ohne sie online zu ersetzen. Die rasche Umstellung von physischen Veranstaltungen hin zu virtuellen Formaten scheint gut funktioniert zu haben.
Dass das allerdings kein Grund ist, in Euphorie auszubrechen, zeigen die Antworten von mehr als 7.000 Studierenden, die sich im Rahmen der europaweiten Umfrage zu ihren aktuellen Herausforderungen in der Krise geäußert haben. Bei den Studierenden wird der Bedarf nach Unterstützung und Orientierung deutlich: 79 Prozent wünschen sich von ihren Hochschulen Hilfe bei der Jobsuche in der Krise. Und: 71 Prozent der über 7.000 befragten Talente wenden sich an ihre Universität und ihr Career Center, um Stellenangebote zu finden.
In puncto Karriereberatung und Hilfestellung bei der beruflichen Orientierung erwarten Talente aus Deutschland deutlich mehr Unterstützung (42 Prozent) in Form konkreter Ratschläge von ihrem Career Service, als dies in Frankreich der Fall ist – hier sind es lediglich 4 Prozent. Die aktuelle Verunsicherung, gepaart mit virtuellen Lern-Formaten, die in dieser Form für viele Studierende neu sind, wirkt sich zudem auf die Produktivität der Studierenden aus: Auf die Frage, wie sich virtuelle Vorlesungen auf den Alltag der Studierenden auswirken, gab fast die Hälfte (48 Prozent) an, dass sie weniger produktiv sei, 41 Prozent beobachten keine Veränderung, und nur bei 11 Prozent führen virtuelle Vorlesungen zu effektiverer Arbeit.
Bildungseinrichtungen in der Pflicht: Studierende zwischen akuter Not und langfristigem Optimismus
Auch die Sorge nach der finanziellen Grundlage treibt den Hochschulnachwuchs um: Fast zwei Drittel der Studierenden (63 Prozent) berichten, dass sie aktuell Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche haben. Auch hier ist ein Vergleich zwischen Deutschland und Frankreich spannend: Während in Frankreich angesichts der Krise nur ein Viertel der jungen Talente seine berufliche Orientierung anpasst, trifft dies auf 37 Prozent der deutschen Studierenden zu. Die Hälfte der befragten Studierenden wendet mehr Zeit als zuvor für die Suche nach Berufsmöglichkeiten auf. Karrierenetzwerke, digitale Weiterbildungen für den Kompetenzausbau und virtuelle Beratungsangebote gewinnen für die Generation Z wieder stärker an Bedeutung.
Diesen Bedarf haben die Hochschulen und Universitäten fast ausnahmslos erkannt: 94 Prozent sind der Auffassung, dass die Beschäftigungsfähigkeit ihrer Studierenden auf dem Arbeitsmarkt durch die Einschränkungen der Coronakrise stark oder teilweise beeinträchtigt wird. Entsprechend hoch stufen sie die Beratung über digitale Plattformen und in Echtzeit ein. So hat der erfolgreiche Praxistransfer für Studierende in Form von Praktika, Werkstudentenstellen oder Einstiegsjobs für die Bildungseinrichtungen derzeit höchste Priorität (49 Prozent).
Bildungseinrichtungen sollten sich dies in der aktuellen Phase, aber auch nach der Pandemie zu Herzen nehmen – und ihren Studierenden mit Rat und Tat zur Seite stehen, um einen erfolgreichen Praxistransfer zu gewährleisten.
Lösungsansätze für Hochschulen und Universitäten:
- Entwickeln Sie interaktive Formate: Durch die Krise wurde noch klarer, welche bedeutende Rolle Career Services spielen, um Studierende bei der Lösungssuche zu unterstützen. Um weiterhin nah bei Ihren Studierenden zu bleiben, sollten Sie interaktive Online-Formate wie Live-Videos, Webinare oder auch die Live-Messenger-Kommunikation fördern.
- Unterstützen Sie Ihre Studierenden auch über die Distanz: Jeder erlebt die Ausgangsbeschränkungen – und die aktuelle Krise – auf unterschiedliche Weise. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, breit angelegte Lösungen zur emotionalen Unterstützung (soziale Netzwerke, WhatsApp-Gruppen) und individuelle Sitzungen online für jene anzubieten, die dies am dringendsten benötigen.
- Gewährleisten Sie die Beschäftigungsfähigkeit der Studierenden: Bieten Sie auch Sitzungen zu Trendanalyse auf dem aktuellen Arbeitsmarkt, zur Ausbildung und zur Vorbereitung auf Bewerbungsgespräche an, bei denen Sie auf die Entwicklung der bereichsübergreifenden Kompetenzen achten – die 4K: Kreativität, Kooperation, Kommunikation und kritisches Denken.
Wie geht die Wirtschaft mit der Situation um? Große Unterschiede im Recruiting
Was die wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise auf den Arbeitsmarkt und den Rekrutierungsbedarf betrifft, tappen die Hochschulen und Universitäten allerdings im Dunkeln: Fast neun von zehn Befragten (87 Prozent) haben nur eine unklare oder unvollständige Vorstellung davon.
Die 237 befragten HR- und Recruiting-Verantwortlichen aus acht EU-Ländern sind uneins, was Einstellungsstopps und das Einfrieren von HR-Budgets angeht: Knapp ein Drittel rekrutiert aktuell weiter junge Talente, bei 42 Prozent der Unternehmen bleibt das Budget trotz der aktuellen Situation unverändert. Etwa jeder dritte Personalmanager (35 Prozent) hat mit einer Kürzung des Budgets zu kämpfen, bei 23 Prozent ist das Budget bis auf Weiteres sogar komplett eingefroren.
Auch Praktikanten- und Werkstudentenstellen sind betroffen: 44 Prozent der Unternehmen verschieben die Einstellung derzeit auf einen späteren Zeitpunkt. Etwa ein Viertel (24 Prozent) der Unternehmen rekrutiert Praktikanten weiter online.
Fazit: Positivität und Optimismus überwiegen bei allen Betroffenen
Vor allem die interne Reorganisation und die Einführung von Remote-Arbeitsplätzen stellen für die Unternehmen große Herausforderungen dar. Dennoch sind 41 Prozent der HR-Abteilungen in Bezug auf ihre Aktivitäten zuversichtlich gestimmt, verspüren Optimismus und stellen sich schnell auf neue Prozesse ein. Noch etwas positiver ist die jüngere Generation: Die Mehrheit der über 7.000 befragten Studierenden ist optimistisch, was die eigene Zukunft angeht – trotz der Krise. So blicken 63 Prozent des befragten akademischen Nachwuchses eher, wenn nicht sogar sehr optimistisch in die Zukunft.
Zur JobTeaser-Umfrage:
Im Zeitraum vom 1. April bis zum 17. April haben 237 Unternehmen, 175 Hochschulen und Universitäten sowie 7.041 Studierende an der Online-Umfrage teilgenommen. Die Ergebnisse sind jetzt in einem Report veröffentlicht worden. Hier geht’s zum kompletten Report.
Gastbeitrag von Svenja Rausch
Svenja Rausch ist Head of Marketing DACH bei JobTeaser, wo sie den Markenauftritt der führenden Recruitingplattform für Studierende Europas verantwortet. Bevor sie die Markeneinführung für das mit 50 Millionen Euro geförderte Start-up aus Paris übernahm, war sie verantwortlich für den digitalen Markenauftritt der Universität zu Köln. Neben ihrem digitalen Know-how bringt sie umfangreiche Kenntnisse zur themenorientierten Markenführung und Profilbildung deutscher Hochschulmarken im internationalen Umfeld mit. Sie moderiert Workshops und Podiumsdiskussionen zur digitalen Markenentwicklung, Employer Branding sowie zur Karriereorientierung der jungen Generationen.